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Erbschaftsteuerfreie Übertragung eines Familienheims - Verkürzung der Mindestnutzungszeit

Wird ein vererbtes Familienheim von dem begünstigten Erben weiter bewohnt, ist die Übertragung des Wohneigentums von der Erbschaftsteuer befreit. Die Steuerbefreiung entfällt allerdings rückwirkend, wenn die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor Ablauf der gesetzlich festgelegten Zehn-Jahres-Frist endet – es sei denn, zwingende Gründe sind ausschlaggebend für die vorzeitige Beendigung der Selbstnutzung und damit für das Unterschreiten der Frist.

Genau über diese Frage kam es zum Streit zwischen einer Erbin und dem Finanzamt, der zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führte. Zum Sachverhalt: Die Erbin erbte ein Einfamilienhaus, das sie vorher gemeinsam mit ihrem Vater bewohnt hatte, der Eigentümer der Immobilie war. Die Übertragung des Eigentums erfolgte erbschaftsteuerfrei, da die Erbin das Haus nach dem Tod ihres Vaters weiter bewohnte. Aus gesundheitlichen Gründen zog die Erbin jedoch bereits nach sieben Jahren aus dem Haus aus, also innerhalb der Zehn-Jahres-Frist. Auf Nachfrage des Finanzamtes teilte die Erbin mit, dass das Haus aufgrund zahlreicher Mängel nicht mehr bewohnbar war und sie daher ausziehen musste.

Das Finanzamt ging von einem Verstoß gegen die zehn­jährige Mindestnutzungszeit aus und setzte rückwirkend Erbschaftsteuer fest. Dagegen klagte die Erbin vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf. Sie machte geltend, dass sie aus zwingenden Gründen an einer weiteren Selbstnutzung des Hauses gehindert gewesen sei. Zum einen sei das Gebäude aufgrund des schlechten baulichen Zustands nicht mehr nutzbar gewesen und zum anderen sei sie aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands kaum mehr in der Lage gewesen, sich im Haus zu bewegen. Da das FG die von der Klägerin angeführten gesundheitlichen Gründe als nicht nachgewiesen ansah und jene eine eigene Haushaltsführung keineswegs ausschlossen (zumal sich die Erbin fremde Hilfe hätte holen können), wurde die Klage abgewiesen. Die Erbin beantragte daher die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH).

Der BFH hatte mehr Verständnis für die Argumentation der Erbin und stellte fest: Der Auszug aus einem Familienheim kann ausnahmsweise schon vor Ablauf der zehnjährigen Nutzungszeit ohne steuerliche Nachteile erfolgen, wenn die eigene Nutzung des Hauses aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar geworden ist. Das Kriterium „Vorliegen zwingender Gründe für die Beendigung der Selbstnutzung“ erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch den der Unzumutbarkeit einer weiteren Selbstnutzung, so der BFH (Urteil vom 1.12.2021 – II R 18/20). In diesem Zusammenhang hält es der BFH für ausreichend, wenn eine Fortsetzung der Selbstnutzung des Familienheims aus gesundheitlichen Gründen nur noch mit der erheblichen Unterstützung Dritter möglich ist. Denn in einem solchen Fall könne nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung gesprochen werden. Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil des FG Düsseldorf auf und verwies die Sache zur anderweitigen Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Dort wird das Ausmaß der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin zu prüfen sein. Falls diese so erheblich sind, dass die Fortsetzung der Selbstnutzung tatsächlich unzumutbar war, hat die Erbin Anspruch auf die ursprünglich gewährte und vom Finanzamt dann wieder einkassierte Steuerbegünstigung.

News vom 30.12.2022