Aktuelles

zurück

Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen - Zeitanteiliger Ansatz des Grundbetrages bei Rumpf-Wirtschaftsjahr

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Der nach § 13a Abs. 4 Satz 2 EStG in Verbindung mit Anlage 1a zu § 13a EStG zu ermittelnde (Jahres-)Grundbetrag sei auch bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen in der Fassung des ZollkodexAnpG für ein Rumpf-Wirtschaftsjahr lediglich zeitanteilig anzusetzen (Urteil vom 08.06.2022 – VI R 30/20).

Der BFH widerspricht damit der Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 10.11.2015 und führt seine langjährige Rechtsprechung fort, weil ein Verzicht auf einen nur zeitanteiligen Ansatz der pauschal bemessenen Jahreswerte zu keiner spürbaren Vereinfachung der Verwaltungspraxis und zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde.

Zum steuerlichen Hintergrund: Mit der Neufassung des § 13a EStG durch das ZollkodexAnpG wurden vom Gesetzgeber Lücken in der Durchschnittssatzbesteuerung für das Wirtschaftsjahr 2015 bzw. das abweichende Wirtschaftsjahr 2015/2016 (und Folgejahre) geschlossen. Im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzung trat als Besteuerungstatbestand an die bisherige Stelle des Grundbetrags der Gewinn der landwirtschaftlichen Nutzung. Dieser sollte neben dem Gewinn aus der Flächennutzung auch Zuschläge für eine verstärkte Tierzucht und Tierhaltung erfassen, um die Gewinnerfassungsquote bei Veredlungsbetrieben besser abzubilden.

Der Gesetzgeber hat aufgrund unterschiedlicher landwirtschaftlicher Anbaumethoden und Produktionszyklen in der Tierzucht und Tierhaltung die Gewinnbestandteile der landwirtschaftlichen Nutzung in Anlage 1a zu § 13a EStG „Für ein Wirtschaftsjahr …“ gesetzlich normiert. Dabei ging der Gesetzgeber im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis davon aus, dass das Wirtschaftsjahr grundsätzlich zwölf Monate umfasst (§ 8b Satz 1 EStDV). Sollte das Wirtschaftsjahr weniger als zwölf Monate umfassen (§ 8b Satz 2 EStDV), unterstellte der Gesetzgeber typisierend, dass der Gewinn einer (Jahres-)Ernte bzw. Erzeugung entweder in pauschalierter Weise zutreffend erfasst wird oder der Steuerpflichtige einen Abwahlantrag nach § 13a Abs. 2 EStG stellen wird. Dies gilt insbesondere, weil bei einer Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs ohnehin der entsprechende Aufgabe-/Veräußerungsgewinn zwingend nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln ist und bei einer Betriebsgründung regelmäßig Anlaufverluste entstehen, die bei einer Ermittlung nach § 4 Abs. 1 oder 3 EStG steuermindernd berücksichtigt werden und dadurch Liquidität schaffen können.

Aus diesen Gründen legte die Finanzverwaltung in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut der Anlage 1a zu § 13a EStG und der BFH-Urteile vom 10.11.2004 (XI R 69/03) sowie vom 23.04.2009 (IV R 9/06), wonach laut BFH auch ein Rumpf-Wirtschaftsjahr ein Wirtschaftsjahr sei, in Rz. 29 des BMF-Schreibens vom 10.11.2015 fest, dass der Grundbetrag als Flächenbetrag und die Zuschläge für Tierzucht und Tierhaltung für ein volles Wirtschaftsjahr anzusetzen sind.

Durch das BFH-Urteil vom 08.06.2022 ist nunmehr geklärt, dass der allgemeine Begriff des Rumpf-Wirtschaftsjahres im Sinne des § 8b Satz 2 EStDV durch den BFH jeweils normspezifisch ausgelegt wird. Während bei einer Übernahme eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft von den Eltern im Zusammenhang mit einer Rücklage nach § 6b EStG Rumpf-Wirtschaftsjahre verklammert und einheitlich beurteilt werden, ist dies bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nicht der Fall. Deshalb ist im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus der landwirtschaftlichen Nutzung im Sinne des § 13a Abs. 4 EStG davon auszugehen, dass im Falle eines Rumpf-Wirtschaftsjahres die Ermittlung der Zuschläge für Tierzucht und Tierhaltung nach der in diesem Zeitraum tatsächlich stattfindenden Erzeugung und Haltung der Tiere ausgedrückt in Vieheinheiten erfolgt.

Nach der amtlichen Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 08.06.2022 ist bei einem verlängerten Wirtschaftsjahr im Sinne des § 8c Abs. 2 Satz 2 EStDV folgerichtig der Gewinn der landwirtschaftlichen Nutzung für den verlängerten Zeitraum zeitanteilig zu berücksichtigen. Für den Gewinn der typisierten Sondernutzungen gemäß § 13a Abs. 5 EStG in Verbindung mit Anlage 1a zu § 13a EStG ist das BFH-Urteil vom 08.06.2022 auf beide Fallgestaltungen sinngemäß anzuwenden.

News vom 17.01.2023