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Anschaffung von Windkraftanlagen - Abschreibungsbeginn nach Gefahrenübergang

In einem vom Finanzgericht (FG) Münster entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Frage, ab wann der Erwerber einer Windkraftanlage steuermindernde Abschreibungen vornehmen kann. Das Gericht stellte in diesem Zusammenhang fest: Der bloße Besitz- und Nutzungsübergang reicht für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einer Windkraftanlage nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn der Erwerber bereits Einnahmen in Form von Einspeiseerlösen aus dem Probebetrieb der Anlage erzielt.

Eine Firma wurde mit der Herstellung, Errichtung und Inbetriebnahme von Windenergieanlagen beauftragt. In dem für diesen Zweck geschlossenen Vertrag stand unter anderem:

„[...] Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Besitz der Windenergieanlage bereits mit der Anlieferung und Errichtung eingeräumt wird. […] Ein Gefahrübergang […] ist damit nicht verbunden und findet erst mit […] Abnahme statt. […] Nach Inbetriebnahme beginnt der Probebetrieb. […] gilt der Probebetrieb als erfolgreich abgeschlossen, wenn die Windenergieanlage den Normalbetrieb […] erreicht hat. Anschließend lädt der Auftragnehmer den Auftraggeber […] zur Abnahme der Windenergieanlage. Der Gefahrübergang erfolgt unmittelbar nach Abnahme der Windenergieanlage.“

Zwei angeschaffte Windenergieanlagen gingen im Jahr 2017 in den Probebetrieb. Die im Vertrag geregelte Abnahme erfolgte erst im Jahr 2018. Der Erwerber der Anlage begann bereits im Jahr 2017 mit der Abschreibung der sich zu diesem Zeitpunkt noch im Probebetrieb befindlichen Anlagen. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Abschreibungen im Jahr 2017 ab und berief sich dabei auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.09.2016 (IV R 1/14), wonach Abschreibungen auf Windkraftanlagen grundsätzlich erst nach Abnahme bzw. Gefahrübergang vorgenommen werden können. Erst dann hat der Erwerber nämlich das wirtschaftliche Eigentum erlangt, das Voraussetzung für die Vornahme von Abschreibungen ist.

Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Abnahme der Anlagen hielt der Erwerber der Windenergieanlagen für nicht sachgerecht – auch weil im konkreten Fall zwischen der Inbetriebnahme und der Abnahme ein vergleichsweise langer Probebetrieb lag. Hinsichtlich des Beginns der Abschreibungen sei daher auf den Zeitpunkt des Besitz- und Nutzungsübergangs abzustellen, der im Dezember 2017 lag. Im Übrigen, so der Erwerber, sei zu berücksichtigen, dass die im Probebetrieb erzielten Einspeiseerlöse von etwa 1,2 Mio. € bereits dem Käufer der Anlagen zugestanden hätten.

Da das Finanzamt auf seiner Rechtsauffassung beharrte, erhob der Käufer der Windenergieanlagen Klage vor dem FG Münster, die jedoch keinen Erfolg hatte. Das Gericht wies in seiner Entscheidung unter anderem auf Folgendes hin: Von wirtschaftlichem Eigentum sei dann auszugehen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Im Falle der Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsguts liege das wirtschaftliche Eigentum dann vor, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind. Demnach erlange ein Erwerber wirtschaftliches Eigentum an einem Gegenstand in der Regel erst, wenn die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf ihn übergeht. Im Streitfall war das der Zeitpunkt der Abnahme der Windenergieanlagen. Mit der Abschreibung konnte daher erst im Jahr 2018 begonnen werden (Urteil vom 15.09.2021 – 13 K 3059/19 G,F).

News vom 02.04.2023