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Aufteilung des Kaufpreises auf den Grund und das Gebäude - Bodenrichtwerte als Indiz für irreale Wertansätze

Ein Ehepaar erwarb mit Kaufvertrag vom 17.11.2017 ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück für 2,4 Mio. €. Gemäß Kaufvertrag sollte der Gefahrenübergang auf die Käufer am Tag nach der vollständigen Kaufpreiszahlung erfolgen. Gezahlt wurde der Kaufpreis am 29.03.2018.

Im Kaufvertrag war festgelegt, wie sich der Kaufpreis auf den Grund und Boden zum einen (0,4 Mio. €) und auf das Gebäude zum anderen (2 Mio. €) verteilt. Das Aufteilungsverhältnis betrug 16,67 zu 82,33. Bei der Ermittlung der Gebäudeabschreibung orientierten sich die Käufer an den im Kaufvertrag festgelegten Anschaffungskosten des Gebäudes.

Das Finanzamt ging allerdings von einer anderen Aufteilung des Kaufpreises aus; es unterstellte ein Aufteilungsverhältnis von 32,72 (Grund- und Boden) zu 67,28 (Gebäude). Infolgedessen ermittelte das Finanzamt eine geringere Gebäudeabschreibung.

Da das Ehepaar Einspruch gegen die Entscheidung des Finanzamtes einlegte, wurde ein Bausachverständiger mit der Wertermittlung beauftragt. Unter Anwendung des Ertragswertverfahrens gelangte der Sachverständige zu einer Aufteilungsquote von 39,38 % (Grund und Boden) zu 60,62 % (Gebäude). Dem vom Ehepaar eingelegten Einspruch wurde infolgedessen teilweise abgeholfen.

Der weitergehende Einspruch wurde vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt stellte in diesem Zusammenhang fest: Der im Kaufvertrag vereinbarte Preis für den Grund und Boden sei wegen einer erheblichen Abweichung von den Bodenrichtwerten steuerlich nicht bindend. Aus diesem Grund müsse eine Aufteilung der Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der Verkehrswerte erfolgen.

Damit wollte sich das Ehepaar nicht zufriedengeben und erhob daher Klage vor dem Finanzgericht (FG) Münster. In der Klagebegründung wiesen die Kläger auf verschiedene Faktoren hin, die einen höheren Gebäudewertanteil am Kaufpreis rechtfertigen sollten, und zwar unter anderem, dass die Aufteilung des Kaufpreises bereits am 17.06.2016, also rund 18 Monate vor Abschluss des Kaufvertrages vereinbart worden wäre. Wertbestimmend sei damals der Preis pro Quadratmeter Wohnfläche gewesen.

Im Laufe des Prozesses beauftragte das Gericht einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Wertgutachtens. Das Gutachten sollte sowohl die Werte des Grund und Bodens als auch des Gebäudes zu drei Zeitpunkten feststellen: zum Zeitpunkt der ursprünglichen (mündlichen) Vereinbarung der Kaufpreisaufteilung im Jahr 2016, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2017 sowie zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs im Jahr 2018, den das Finanzamt bei seiner Wertermittlung und -aufteilung zugrundgelegt hatte. Sämtliche vom Gutachter ermittelten Werte des Gebäudes lagen deutlich unter dem Wertansatz des Ehepaares.

Das Gericht wies in seinem daraufhin ergangenen Urteil zunächst auf Folgendes hin: Wird im Kaufvertrag eine Kaufpreisaufteilung festgelegt, sei diese auch grundsätzlich der Besteuerung zu Grunde zu legen. Zu prüfen sei allerdings, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen. Es gelte daher zu verifizieren, dass die objektiv am Markt erzielbaren Preise mit der vertraglichen Vereinbarung in Einklang stehen.

Allein eine Diskrepanz des vertraglich festgelegten Werts des Grund und Bodens zu den Bodenrichtwerten rechtfertige nicht ohne weiteres, diese an die Stelle der vertraglichen festgelegten Werte zu setzen oder die auf den Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Abweichende Bodenrichtwerte könnten aber ein Indiz dafür sein, dass die vertragliche Aufteilung möglicherweise nicht die realen Werte wiedergebe, so das Gericht.

Da der im Kaufvertrag festgelegte Wert des Grund und Bodens beträchtlich von den Bodenrichtwerten sowie um rund 60 % vom dem vom Gutachter ermittelten Bodenwert abwich, lehnte es das FG Münster ab, die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Aufteilung der Besteuerung zu Grunde zu legen. Das Gericht entschied sich stattdessen, die Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Boden zum einen und des Gebäudes zum anderen vorzunehmen. Dabei orientierte es sich an den Wertermittlungen des Sachverständigen zum Stichtag 30.03.2018, da es sich dabei um den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs handelte, der nach Ansicht des Gerichts für die Wertermittlung maßgeblich sei. Festgelegt wurde schließlich ein Aufteilungsverhältnis von 35,88 % (Grund und Boden) zu 64,12 % (Gebäude).

Das FG Münster ließ die Revision gegen das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu, denn in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, welcher Stichtag für die Beurteilung heranzuziehen ist, wenn es um die Frage geht, ob die Aufteilung eines Kaufpreises auf Grund und Boden und Gebäude im Kaufvertrag angemessen ist (Urteil vom 22.09.2022 – 8 K 2748/20 E).

News vom 05.07.2023