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Private Mitnutzung eines Betriebs-Pkw? Erschütterung des Anscheinsbeweises

Das Finanzgericht (FG) Münster hat festgestellt: Der für die private Mitnutzung eines betrieblichen Pkw sprechende Anscheinsbeweis lässt sich nicht nur durch das Vorhandensein eines in Status und Gebrauchswert vergleichbaren Pkw im Privatvermögen erschüttern. Auch die konkreten betrieblichen und privaten Umstände können im Einzelfall den Anscheinsbeweis widerlegen. Gelingt das, kann auf die Ermittlung eines privaten Nutzungs- und damit auch Kostenanteils verzichtet werden. Das ist aus steuerlicher Sicht vorteilhaft, weil dadurch eine Erhöhung des zu versteuernden betrieblichen Gewinns vermieden werden kann.

Dem entschiedenen Streitfall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die verheirateten Kläger hielten in ihrem Privatvermögen drei Kleinwagen, die vor allem von den zwei volljährigen Kindern genutzt wurden. Der Kläger unterhielt auf dem Grundstück, auf dem sich das Wohnhaus der Familie befand, einen Gartenbaubetrieb. Hauptberuflich ging der Kläger allerdings einer anderen Tätigkeit nach (Beschäftigung als Arbeitnehmer). Die Ehefrau arbeitete auf Mini-Job-Basis im Gartenbaubetrieb ihres Ehemannes.

Im Betriebsvermögen des Gartenbaubetriebs befanden sich zwei Pkw – ein BMW X3 sowie ein Ford Ranger. Für beide Fahrzeuge wurden keine Fahrtenbücher geführt. Da der BMW privat mitgenutzt wurde, kam die sogenannte 1 %-Regelung zur Anwendung. Der auf den Privatbereich entfallende Kfz-Kostenanteil wurde demnach pauschal ermittelt. Der Betriebsinhaber setzte für den Ford Ranger keinen Privatanteil an, weil das Fahrzeug angeblich nicht privat mitgenutzt wurde.

Das Finanzamt berief sich auf den Anscheinsbeweis, da die drei Kleinwagen in Status und Gebrauchswert nicht mit dem Ford Ranger vergleichbar waren und den insgesamt vier Familienmitgliedern nicht jederzeit ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung stand. Vor diesem Hintergrund wandte das Finanzamt auch für den Ford Ranger die 1 %-Regelung an und setzte einen zu versteuernden Privatanteil fest. Dagegen klagte der Betriebsinhaber vor dem FG Münster – und das mit Erfolg (Urteil vom 16.08.2022 – 6 K 2688/19 E).

Das Gericht gelangte nach Würdigung der Gesamtumstände nicht zum Ergebnis, dass der Ford Ranger tatsächlich privat mitgenutzt wurde. Ausschlaggebend dafür war keineswegs das Vorhandensein eines zweiten Betriebsfahrzeugs. Denn allein die Existenz des BMW konnte den Anscheinsbeweis der privaten Mitnutzung des Ford Ranger nicht erschüttern, da dieses Fahrzeug aufgrund der betrieblichen Nutzung nicht in vollem Umfang für Privatfahrten zur Verfügung stand.

Ausschlaggebend für die Erschütterung des Anscheinsbeweises waren insbesondere folgende Tatsachen: Aufgrund seiner Zugkraft war der vom Betriebsinhaber behauptete permanente Einsatz des Ford Ranger im Betrieb für das Gericht plausibel. Zudem sprach der Umstand, dass der Kläger in seinem Gartenbaubetrieb nur einer Nebentätigkeit nachging, gegen eine arbeitstägliche Selbstnutzung des Ford Ranger; denn damit einher ging die stark eingeschränkte Möglichkeit einer Privatnutzung des Fahrzeugs. Darüber hinaus mussten weder der Betriebsinhaber noch seine Ehefrau für ihre Wege von der Wohnung zur Arbeit einen Pkw nutzen, da das Grundstück, auf dem sich das Wohnhaus befand, gleichzeitig auch der Arbeitsort von beiden war.

Da das Finanzamt gegen die Entscheidung des FG Münster Revision eingelegt hat, ist der Rechtsstreit noch nicht abschließend entschieden.

News vom 29.12.2022