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Steuervorteil bei (Teil-)Betriebsveräußerung: Nachweis einer dauernden Berufsunfähigkeit

Unter bestimmten Voraussetzungen sind der Verkauf oder die Aufgabe eines Betriebs steuerlich begünstigt. Die Steuer­ermäßigung wird allerdings nur auf Antrag gewährt und darf grundsätzlich nur einmal in Anspruch genommen werden. Gewährt wird der Steuervorteil, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig im sozial­versicherungsrechtlichen Sinne ist (§ 16 Abs. 4 EStG).

Über die Frage, ob die Bedingung „dauernd berufsunfähig“ erfüllt ist, kam es zum Streit zwischen einer Friseurmeisterin und dem für sie zuständigen Finanzamt, der letztlich auch den Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigte.

Die Friseurmeisterin (= Klägerin) erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Ihr Friseurbetrieb bestand aus einer Hauptniederlassung in B und einer Zweigstelle in K. Im Jahr 2008 ließ sich die Steuerpflichtige am rechten Bein behandeln und wurde dafür auch im Jahr 2009 für mehrere Tage im Krankenhaus stationär aufgenommen. Ein Gutachten zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung aus dem Jahr 2010 enthielt die Feststellung, dass die Klägerin bis auf Weiteres in ihrem Friseurberuf täglich nur noch weniger als sechs Stunden arbeiten könne. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit würde voraussichtlich nicht weniger als drei Jahre anhalten, so der Gutachter. Allerdings bestünde die Möglichkeit einer gesundheitlichen Verbesserung für den Fall einer hüftendoprothetischen Versorgung, zu der es dann auch im Jahr 2013 kam.

Die Deutsche Rentenversicherung lehnte es Ende 2010 ab, der gesundheitlich eingeschränkten Friseurmeisterin eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Das Versorgungsamt stellte allerdings noch im selben Jahr eine unbefristete Bescheinigung aus, wonach die Klägerin „ein behinderter Mensch im Sinne des § 33b EstG“ sei. Der Grad der Behinderung wurde auf 30 % seit Anfang 2009 festgelegt.

Ende 2012 verkaufte die Friseurmeisterin ihre Hauptniederlassung in B und erzielte dadurch einen Gewinn in Höhe von 7.000 €. Das Gewerbe in B meldete sie unter Hinweis auf eine Betriebsaufgabe aus gesundheitlichen Gründen ab. In ihrer Zweigniederlassung in K arbeitete sie dann noch bis zum Jahr 2014.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2012 beantragte die Steuerpflichtige den Steuerfreibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung des Freibetrags mit der Begründung fest, dass nach seiner Ansicht ein Nachweis der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI fehle. Die daraufhin von der Friseurmeisterin erhobene Klage vor dem Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern war erfolgreich. Das FG ging von einer steuerbegünstigten Teilbetriebsveräußerung im Jahr 2012 (Hauptniederlassung in B) und zudem von einer dauernden Berufsunfähigkeit aus.

Das Finanzamt legte daraufhin Revision beim BFH ein. Der BFH hob die Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern auf und verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück an die Vorinstanz. Denn das FG habe seiner Auffassung, wonach die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Teilbetriebsveräußerung im Jahr 2012 dauerhaft berufsunfähig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gewesen sei, keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zugrundegelegt, so der BFH. Die Vorinstanz hat ihre rechtliche Einschätzung allein auf das medizinische Gutachten aus dem Jahr 2010 gestützt, das allerdings keine abschließende Aussage zur dauernden Berufsunfähigkeit der Friseurmeisterin getroffen hat. Aufgrund der erheblichen zeitlichen Distanz zwischen der Gutachtenerstellung und der Teilbetriebsveräußerung hätte es weitergehender Feststellungen des FG bedurft, die eine dauernde Berufsunfähigkeit nahelegen. Die im Jahr 2010 vom Versorgungsamt ausgestellte Bescheinigung reichte dafür nicht aus (Urteil vom 14.12.2022 – X R 10/21).

News vom 27.09.2023